Es gibt Ärger im Hause Oracle. Die Deutsche Oracle Anwendergruppe (DOAG) sieht Handlungsbedarf: Mit dem Release der neuen Standard Edition 2 werden laut DOAG die Nutzer der Vorgängerversionen zur Migration gezwungen. Gleichzeitig entstehen für Bestandskunden zahlreiche Nachteile. Die DOAG prüft nun die Rechtmäßigkeit der Geschäftspolitik.
Seit dem 1. September 2015 steht die Oracle Datenbank-Version 12.1.0.2 in der Standard Edition 2 (DB SE2) als Download zur Verfügung. Die neue Edition wird sowohl die Standard Edition (DB SE) als auch die Standard Edition 1 (DB SE1) ablösen. Noch bis zum 30. November 2015 sind die alten Editionen bestellbar, allerdings nur noch bis zum Patchset 12.1.0.1. Über kurz oder lang wird der Kunde um eine Migration also nicht herumkommen.
Das aber bedeutet weniger Lizenzumfang bei höheren Kosten, denn preislich wird die DB SE2 so behandelt wie die DB SE, ist also in der Named User Plus (NUP)-Lizenz etwa doppelt, in der Prozessorlizenz etwa dreimal so teuer wie die DB SE1. „Das ist sehr unerfreulich, denn damit fällt die kleinste Einsteiger-Variante für Oracle-Datenbanken komplett weg“, so Michael Paege, Leiter des Competence Centers Lizenzierung und stellvertretender Vorsitzender der DOAG.
Ein weiterer Grund für Entrüstung bei den Kunden: Oracle hat zusätzlich den Standard-Lizenzumfang erheblich reduziert. Statt vier Sockeln wie in der SE ist die Standard Edition 2 auf Server mit zwei Sockeln begrenzt. Die Real Application Cluster (RAC)-Lizenz bleibt zwar erhalten bzw. kommt für ehemalige DB SE1-Kunden hinzu, jedoch nur für maximal zwei Sockel auf Ein- oder Zwei-Sockel-Servern.
Für bisherige SE-Kunden könnte es noch teurer werden: Da die SE2 nur noch auf Servern mit maximal zwei Sockeln eingesetzt werden darf, müssen Kunden, die 4-Sockel-Server einsetzen, für die Migration auf die DB SE2 ihre Hardware austauschen. Gleiches gilt, wenn Kunden RAC-Cluster mit zwei Knoten mit je zwei Sockeln betreiben. Lediglich SE/SE1-Kunden mit einem 2-Sockel-Server, beziehungsweise RAC mit zwei Knoten à einem Ein-Sockel-Server (s.o.), können ohne weiteres auf die Standard Edition umziehen.
Für viele DB-Kunden besonders empörend: Der Premier Support für die SE1 und SE 12.1.0.1 soll zum 31. August 2016 auslaufen, obwohl bei Vertragsabschluss regelmäßig eine mindestens fünfjährige Supportphase vereinbart wurde. Im Klartext: Kunden, die die SE/SE1 12.1.0.1 nach dem 1. September 2011 (also weniger als fünf Jahre vor dem 31. August 2016) erworben haben, erhalten voraussichtlich nur noch einen verkürzten Premier Support. „Damit wird ORACLE viel Vertrauen verspielen bei den Anwendern, die die Zukunftssicherheit ihrer Investitionen gefährdet sehen“, prognostiziert Christian Trieb, Leiter der Datenbank-Community. Auch Johannes Ahrends, Themenverantwortlicher Datenbankadministration, ist bestürzt: „Als Kunde sollte man hier gegebenenfalls anwaltliche Hilfe suchen.“
Man stellt sich die Frage nach den Vorteilen der neuen Edition: SE1-Kunden, die auf die neue Edition migrieren, zahlen 20% mehr Support, dürfen anschließend aber ein 2-Knoten RAC (mit je einem Sockel) nutzen. Dies ist ein Plus der DB SE2, wird in der Realität jedoch kaum Anwendung finden. „Indem sie die DB SE1 lizenzierten, haben sich diese Kunden bewusst gegen RAC entschieden. Ich sehe keinen Grund, weshalb sie ihre Meinung plötzlich ändern sollten.“, so Michael Paege.
DOAG-Rechtsanwalt Carsten J. Diercks bezweifelt gar die Rechtmäßigkeit der neuen Geschäftspolitik: „Die Verkürzung des Premier Supports bei laufenden SE/SE1-Verträgen mit der ursprünglichen Vereinbarung muss wohl als rechtlich unzulässig angesehen werden.“
„Der aufgebaute Druck für eine Migration könnte ebenfalls rechtlich zu missbilligen sein“, so Diercks weiter. Die DOAG prüft auf dieser Grundlage die Rechtmäßigkeit der Geschäftspolitik, sucht aber gleichzeitig das Gespräch mit den Produktverantwortlichen. „Wir wünschen uns bezüglich der entstehenden Nachteile Korrekturen von Oracle“, betont der DOAG-Vorstandsvorsitzende Dr. Dietmar Neugebauer.
Die Zeit wird zeigen, ob sich Oracle mit der Strategie letztlich sogar selbst schadet. So sieht es zumindest DOAG-Vorstandsmitglied Fried Saacke: „Oracle wird langfristig darunter leiden. Der Konzern will auf diese Art seine Kunden in die Cloud drängen, in Wirklichkeit überlässt er aber die kleineren Systeme der Konkurrenz.“
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