Bitkom-Arbeitskreis redet über Distributoren und Händler

Retail

Ursachenforschung im Schlosshotel

An die 30 Teilnehmer, theoretisch von Herstellern, Händlern und Systemhäusern hatten am 15. Juli den Weg nach Ludwigsburg zu dem zum zweiten Mal stattfindenden Bitkom-Arbeitskreis gefunden. Gastgeber der Veranstaltung im eleganten Schlosshotel Monrepos war die Compris GmbH, ein auf T-Distribution und -Handel spezialisiertes Beratungsunternehmen. Auffallend: Von den laut Bitkom 15 eingeladenen Handelsunternehmen und Systemhäusern war schließlich nur ein Vertreter vor Ort. So betrieb der Arbeitskreis Ursachenforschung über deren Abwesenheit: Das harte Tagesgeschäft? Geringe Personalressourcen? Überdruss an Sponsoring-Veranstaltungen von Herstellern? Einiges davon mag wohl zutreffen, reicht aber noch nicht für eine vollständige Erklärung.

Nach der Begrüßung der Tagungsteilnehmer durch Frank Garrelts von der Provoto GmbH und Gerald Holler vom Gastgeber COMPRiS erwarteten die Teilnehmer drei interessante Fachvorträge.

Mit dem Thema „Channel Best Case“, dem Partner-Management bei sich schnell ändernden Rahmenbedingungen, eröffnete Robert Pasquier, Channel Director bei Lenovo die Vortragsreihe. Der Vortrag von Henning Meyer von der MR-Systeme GmbH beschäftigte sich mit der Vertriebssensibilisierung von technischen Mitarbeitern. Wie Meyer berichtete, setzt das Unternehmen hierfür das eigens entwickelte Technikersteuerungssystem „MR TTSS“ ein. Damit könnten Systemhäuser ihre Produktivität nachhaltig verbessern und in der Folge mehr Umsatz und Erträge generieren.

Jörg Brünig, Director Channel Germany bei Fujitsu Siemens Computers, bei seinem Vortrag über „Vertriebliche Leistungen von Systemhäusern“

Foto: Girschner

Jörg Brünig, Senior Director Channel Germany bei der Fujitsu Siemens Computers GmbH, referierte schließlich über „Vertriebliche Leistungen von Systemhäusern“. So würde Fujitsu Siemens Computers zur Unterstützung der Partner komplementäre Services anbieten. Brünig zeigte sich überzeugt, dass mittelständische IT-Unternehmen „vieles besser machen“ könnten. Nach Einschätzung von Brünig erwarten Händler beziehungsweise Systemhäuser von ihren Distributoren vor allem Personalisierung, Transparenz und Kontinuität in der Zuordnung von Aufgaben und Funktionen zu Partnern. Am Beispiel des Vertriebs von Embedded-UMTS-Notebooks gibt Brünig dem IT-Handel eine Mitschuld an den bisher geringen Verkaufserfolgen. Ähnlich würde es sich im Storage-Bereich verhalten, bei dem nur 27 Prozent der verkauften Einheiten über Reseller erfolgte.

“Wozu benötigen wir überhaupt Distributoren?”

Den Höhepunkt der Tagung bildete die Podiumsdiskussion mit dem provokanten Titel „Indirekt, direkt oder ganz direkt: Wozu benötigen wir überhaupt noch Systemhäuser und Distributoren?“ Wenngleich diese Frage schon seit vielen Jahren diskutiert wird, wollten die Vertreter von Herstellern, Distributoren und Handel dem Thema neue Aspekte abgewinnen. Dabei wurde auch die Frage beleuchtet, welche Channels heute und künftig vorrangig bedient werden. Als Distributoren waren Ingram Micro und Also vertreten, auf Herstellerseite Fujitsu Siemens Computers, Dell, Microsoft und Lenovo, und für die Systemhäuser sprach MR-Systeme.

Wie Wolfgang Brehm, Director Partner Strategy & Programs bei Microsoft betonte, gäbe es bei „Microsoft, bedingt durch das Produktspektrum, ein sehr breites Dienstleistungsspektrum“. Ein äußerst aktuelles Thema für alle Beteiligten sei es, den IT-Markt insgesamt zu vergrößern. Dabei sei die Distribution eines der wichtigsten Standbeine. Einen großen Trend sieht Brehm in dem SaaS (Software as a Service)-Ansatz, bei Microsoft mit dem Begriff „Software + Service“ beworben. Dem Kunden allein die Hardware hinzustellen, reiche bald nicht mehr aus, insbesondere wenn die Software aus der Steckdose kommen werde, erklärte Brehm.

Henning Meyer von MR-Systeme berichtete von den Problemen, mit denen Systemhäuser zu kämpfen hätten. So würden die Preise der Distribution häufig von E-Tailern unterschritten. Aber für Meyer komme es nicht allein auf Preisführerschaft an, auch loyale Kundenbeziehungen seien sehr wichtig, ebenso wie Schulungen seitens der Hersteller und Kooperationen mit anderen Firmen. Diese Einschätzung teilte Roland Franze, Head of Sales & Marketing, Also Deutschland GmbH. So würden E-Tailer Distributoren oftmals im Preis schlagen, nicht aber beim Service. Ein grundsätzliches Problem sei es auch, dass Hersteller E-Tailern häufig bessere Konditionen als Distributoren einräumen würden.

Foto: Girschner

Herausforderung E-Commerce

Auf Herstellerseite berichtete Robert Pasquier, Channel Director bei Lenovo, von der Umsetzung eines eigenen Distributionsmodells. So würde der PC-Hersteller in China rund 4.500 Stores im Franchising-Modell betreiben. Wenngleich in neu entwickelten Märkten wie China oder auch Russland ein Erfolgsmodell, wäre dieser Ansatz für den Business-Bereich aktuell nicht denkbar. Für den europäischen Markt stellte Pasquier die Frage, ob die IT-Branche „in einen Websaler-Markt hineinwachsen würde“.

Sabine Bendiek, Channel Director für Central Europe bei Dell, berichtete, dass das Unternehmen jetzt erfolgreich ein Partnernetzwerk aufgebaut habe. Dabei könne die Distribution künftig wichtig werden. Zum Thema SaaS meinte Bendiek, dass viele darüber sprechen, aber es noch nicht tun würden, und dies sei wohl vor allem eine Preisfrage. Diese Herausforderung wäre für den Handel eine Chance, da dieser nah am Kunden sei und entsprechend schnell und geeignet reagieren könne.

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v. l. n. r.): Moderator Frank Garrelts, Provoto; Robert Pasquier, Lenovo; Sabine Bendiek, Dell; Roland Franze, Also; Wolfgang Brehm, Microsoft; Jörg Brünig, Fujitsu Siemens Computers, Marcus Adä, Ingram Micro Distribution und Henning Meyer, MR-Systeme. Foto: Girschner

Als eine der wichtigsten Erkenntnisse der Tagung ist wohl die Herausforderung durch den E-Commerce für Handel und Systemhäuser zu sehen, insbesondere auch durch die E-Tailer. Wie der Bitkom zeitgleich meldete, wird das Internet als Verkaufsplattform für die deutsche Wirtschaft immer wichtiger. So würden derzeit bei jedem vierten Unternehmen (24 Prozent) Bestellungen über das Internet eingehen, was einem Plus von 33 Prozent innerhalb eines Jahres entspräche. Bitkom-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer erklärte hierzu: „Die deutsche Wirtschaft erschließt sich mit Online-Bestellungen neue Märkte und reduziert außerdem unnötige Kosten in den Betr
ieben.

Wenn Aufträge über Internetplattformen automatisch in die firmeneigene Datenverarbeitung eingespeist werden, entfallen kostenintensive Arbeitsschritte wie die Auftragserfassung per Hand. Die Online-Bestellung ist ein gutes Beispiel dafür, dass die gesamte Wirtschaft durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik branchenübergreifend profitiert.“

Hersteller und Distributoren waren fast allein unter sich: Sabine Bendiek von Dell; Roland Franze von Also, Wolfgang Brehm von Microsoft, Jörg Brünig von Fujitsu Siemens Computers und Marcus Adä von Ingram Micro Distribution.
Foto: Girschner

Online-Bestellungen sind hierzulande besonders stark verbreitet bei größeren Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten, im Jahr 2007 bedienten sich 42 Prozent dieser Firmen der Bestellung via Internet. Vor fünf Jahren waren es noch 17 Prozent gewesen. Und 29 Prozent der mittelständischen Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern praktizierten im Jahr 2007 E-Commerce. Bei den kleineren Firmen lag die Rate im vergangenen Jahr bei 23 Prozent, 2003 nahm noch nur jede zwölfte kleine Firma Online-Bestellungen entgegen.

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